Tödliche Spionage im Kalten Krieg. Hohenschönhausen: Die „Gruppe Lange-Werner“ im Visier der DDR-Staatssicherheit

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Zu den wichtigsten Phänomenen politischer Gegnerschaft in der DDR gehörte die Spionage für westliche Nachrichtendienste. Aus Sicht des Staatssicherheitsdienstes zählte die Verhaftung der »Gruppe Lange-Werner« 1953 zu den »bedeutendsten Spionagevorgängen«. Auch weil die DDR-Führung mit Christian Lange-Werner erstmalig einen Angehörigen ihrer neuen Sicherheitskräfte zum Tode verurteilen und hinrichten ließ. Stefan Donth untersucht die Ermittlungsmethoden der Stasi in der Untersuchungshaftanstalt Berlin-Hohenschönhausen und die Steuerung der Justiz im Vorfeld und während des Schauprozesses in Cottbus.

Themen der Gegenwart in historischer Perspektive: Zeitgeschichte im Gespräch – eine Publikationsreihe des Instituts für Zeitgeschichte München–Berlin

Das Urteil stand vor Prozessbeginn fest
In der frühen DDR verschmolzen politischer Widerstand und Spionage für westliche Geheimdienste in mehreren Fällen. Besonders tragisch endete es für Christian Lange-Werner
Von Helmut Müller-Enbergs, in: FAZ.net+ 24. Juni 2023

Rezension von Ilko-Sascha Kowalczuk am 14. Juli 2024 auf Facebook:

„Gehörte Spionage zum Widerstand gegen die kommunistische Diktatur? Diese Frage ist in der Forschung weitaus weniger umstritten als in der historisch interessierten Öffentlichkeit: Es war eine Widerstandsform, die versuchte, effektiv der Diktatur zu schaden, sie zu bekämpfen. In den 1950er Jahren gab es zahlreiche Prozesse gegen echte oder vermeintliche Spione in der DDR. Der Vorwurf ,Spionage‘ ist nicht immer einfach zu enträtseln, weil die SED mit diesem weitaus mehr belegte, als er tatsächlich real erfüllt worden war. Der Mitarbeiter der Gedenkstätte Hohenschönhausen, Stefan Donth, hat einen konkreten Fall rekonstruiert, bei dem es sich zweifelsfrei um Spionage handelte. Ein ehemaliger Offizier der deutschen Luftwaffe, NSDAP-Mitglied, machte als SED-Mitglied auch in den Streitkräften der DDR Karriere und wurde Flugausbilder in Kamenz. Er war innerlich Antikommunist geblieben. Mit einer kleinen Gruppe, die er um sich scharte, spionierte er für amerikanische Dienste. Neben der Übermittlung von Details zu Militärstandorten in Ostdeutschland waren seine Führungsoffiziere vor allem an Informationen über die MIG-15 interessiert, die im Korea-Krieg zum Einsatz kam. Durch einen Zufall flog die Gruppe auf und wurde 1953 verhaftet. In einem Schauprozess vor 700 KVP-Offizieren kam es zu drastischen Urteilen. Der Kopf der Gruppe wurde zum Tode verurteilt und hingerichtet.
Stefan Donth rekonstruiert minutiös die Vorgänge: Was machte die Gruppe konkret? Welche Informationen leitete sie weiter? Wie flog sie auf und wie gestalteten sich die Vernehmungen? Wie sah die Prozessstrategie aus? Wer waren die MfS-Vernehmer? Wie sahen die einzelnen Biographien der Verurteilten aus? Wie ging das Leben der zu Haftstrafen Verurteilten nach ihrer – meist frühzeitigen Entlassung – weiter?
Die Brutalität der Vernehmungen 1953 lassen beim Lesen nicht unberührt – es war psychische und physische Folter, denen sich die Festgenommenen schutzlos ausgesetzt sahen. Von einer echten Verteidigung konnte nicht gesprochen werden – die Rechtsanwälte wurden eingeschüchtert. Die wichtigste Folter war Schlafentzug – ich habe in einem anderen Fall (Karl Hamann 1952/53) Vernehmungen rekonstruieren müssen, die ohne Schlaf mehrere Tage hintereinander andauerten. Donth gelingt es, die Abläufe plastisch zu schildern – es ist zu Herzen gehender Stoff, der düster, aber filmreif ist.
Die kleine Studie schafft es durch ihre Quellennähe, die Brutalität der SED-Diktatur in den ersten Jahren offenzulegen. Naturgemäß bleiben die Widerstandskämpfer und Opfer etwas farblos, weil sie fast nur mit den Täter-Quellen beschrieben und erfasst werden können. Das Buch reiht sich ein in die Vielzahl wichtiger Studien zur Geschichte von Widerstand und Verfolgung im SED-Staat vor dem Mauerbau.“

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